Neurodermitis

Psychische Belastung durch Neurodermitis

Neurodermitis Psychologie Ursachen

Neurodermitis und die Kinderpsyche

Abgesehen von körperlichen Beschwerden, kann Neurodermitis zu verschiedenen negativen psychologischen Auswirkungen wie Stress, sozialer Isolation und geringem Selbstwertgefühl führen. All dies führt zu einer verminderten Lebensqualität. Am meisten hiervon sind vermutlich Kinder betroffen. Sie sind emotional empfindlicher als Erwachsene. Kinder sind in sozialen Gruppen häufig anfälliger für Hänseleien und Mobbing in der Schule, was zu sozialer Isolation, schlechten schulischen Leistungen und Gefühlen der sozialen Stigmatisierung führen kann. Die psychische Belastung durch Neurodermitis bei Kindern sollte daher nicht unterschätzt werden.

Vorschulkinder mit Neurodermitis sind im Vergleich zu nicht betroffenen Kindern stärker von ihren Eltern abhängig. Außerdem müssen sie unter Umständen auf vieles verzichten. Dazu gehört beispielsweise der Verzicht auf Haustiere, das Meiden bestimmter Kleidungsstücke oder das Verzichten auf Freizeitaktivitäten wie Schwimmen oder Sport im Freien.

Intensiver Juckreiz, der mit Neurodermitis in Verbindung gebracht wird, führt zu Schlaflosigkeit oder Schlafentzug, was ebenfalls zu emotionalen Problemen, Konzentrationsschwierigkeiten und Depressionen führen kann.

Psychische Belastung durch Neurodermitis bei Teenagern

Die Pubertät und die damit verbundenen Hormon- und Hautveränderungen müssen die Symptome der Neurodermitis nicht unbedingt verschlimmern. Manchmal führt eine erhöhte Talgproduktion sogar zu einer Verbesserung des Hautzustandes. Gleichzeitig kann es in den Teenager-Jahren aber auch zu einem erstmaligen Auftreten von Ekzemen kommen.

Die Pubertät stellt für viele Menschen eine Veränderung im Leben dar. Problematische Haut kann hier eine zusätzliche Belastung darstellen. Menschen in diesem Alter beginnen sich allmählich von ihren Eltern zu distanzieren und müssen zunehmend Verantwortung übernehmen. Dies erfordert viel Disziplin und kann belastend sein. Zusätzlich können durch das Erwachen der sexuellen Aktivität psychische Probleme entstehen. Der Wunsch geliebt zu werden, lenkt den Fokus auf das Aussehen. Dies wiederum kann Unsicherheit verursachen und zu psychischen Belastungen führen. In einer solchen Lebensphase kann die psychische Belastung durch Neurodermitis besonders hoch sein.

Psychische Belastung bei Erwachsenen mit Neurodermitis

Nicht nur Kinder und Teenager sind anfällig für psychologische Auswirkungen. Studien zufolge wurden bei etwa 30% der Erwachsenen mit Neurodermitis Anzeichen von Depression und/oder Angstzuständen diagnostiziert.1 Eine andere Studie, die mit Erwachsenen aus den USA durchgeführt wurde2, zeigte, dass etwa 26% der Befragten einen negativen Einfluss durch Neurodermitis auf ihre Arbeitsproduktivität erlebten. Es wurde außerdem festgestellt, dass Neurodermitis das sexuelle Verlangen negativ beeinflussen kann.

Die psychische Belastung durch Neurodermitis oder andere Hauterkrankungen scheint von Europa4 bis Asien5 universell zu sein. Hohes Alter kann bei Patienten mit Neurodermitis sogar mit einem hohen Risiko für Depressionen verbunden sein. Darüber hinaus können Eltern von Kindern mit Ekzemen auch starken psychischen Druck erfahren.6  

Stress verursacht Neurodermitis-Schübe

Stress kann dazu führen, dass sich Neurodermitis noch stärker ausprägt. Dies wiederum erhöht den Stress für den Körper, was zu einem Teufelskreis führt. Das wissenschaftliche Verständnis von psychischem Stress und Folgezuständen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Heute werden Stress, Angst und Depression nicht mehr als „Stimmungsschwankungen“, sondern als physiologische Zustände wahrgenommen. Obwohl die genauen Mechanismen noch zu entdecken sind, ist klar, dass Stress das Immunsystem und die Haut auf molekularer Ebene beeinflusst. Stress löst die Freisetzung von Hormonen aus, die Entzündungen verursachen. Dies wiederum führt zu einer Störung der natürlichen Barrierefunktion der Haut.7

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wirkung von Stress auf das Immunsystem und die Haut nicht nur bei emotional-empfindlichen Menschen auftritt. Daher ist die Pflege der psychischen Gesundheit als Ansatz gegen Neurodermitis von entscheidender Bedeutung, unabhängig von der psychischen Stabilität einer Person.

Lassen sich psychologische Auswirkungen messen?

Es gibt verschiedene Fragebögen, mit deren Hilfe die psychosozialen Auswirkungen von Neurodermitis und anderen Hautkrankheiten bewertet werden können. Einer der ersten veröffentlichten Fragebögen ist der Dermatology Life Quality Index (DLQI). Dabei handelt es sich um einen einfachen, selbst verwalteten und benutzerfreundlichen Fragebogen zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erwachsener Patienten. Der Fragebogen ist in verschiedenen Sprachen, einschließlich Deutsch, verfügbar.

Strategien gegen psychische Belastung

Es gibt im Wesentlichen zwei Strategien zur Verbesserung des psychischen Wohlbefindens von Menschen mit Hautkrankheiten. Die erste Strategie erfordert eine psychologische Schulung der betroffenen Person. Psychologisches Training umfasst übliche Stress- und Angstbewältigungsansätze, sowie spezifische Praktiken wie beispielsweise die psychologische Akzeptanz des eigenen Körpers.

Der zweite Ansatz einen Wandel in der Wahrnehmung von Hautkrankheiten durch die Gesellschaft als Ziel. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und ihre Sensibilisierung gegenüber Neurodermitis stellt jedoch eine langfristige und schwierige Aufgabe dar. Mit der Body Positivity Bewegung, die Schönheit auch außerhalb der allgemeinen Ideale erkennt, geht es bereits in die richtige Richtung. Allerdings ist es noch ein längerer Weg der das Engagement von Betroffenen und der Gesellschaft erfordert.

Weitere Ansätze gegen psychische Belastungen:

Yoga

Bei Yoga handelt es sich um eine Lehre aus Indien, die verschiedene Übungen für Körper und Geist, sowie Meditationsübungen vereint. In Indien ist Yoga spirituell geprägt und die Praktiken sind teilweise sehr komplex. In den westlichen Ländern hingegen stellt Yoga für viele Menschen eine einfache Möglichkeit zur Entspannung dar und kann dabei helfen Stresssituationen besser zu verarbeiten und innere Ruhe zu finden. Fokus liegt hier auf verschiedenen Körper- und Atemübungen.

Bei richtiger Praxis kann durch diese Übungen die Atem- und Herzfrequenz, der Blutdruck und der Cortisolspiegel verringert werden. Durch regelmäßiges Yoga kann außerdem der Blutfluss erhöht werden, was sich ebenfalls positiv auf den Körper auswirkt. So kann Yoga dabei helfen Stress und Angst zu reduzieren und die innere Ruhe zu steigern.8

Um mit Yoga zu beginnen muss übrigens keine aufwändige Yogi-Ausbildung begonnen werden. Es gibt viele Bücher, oder auch Videos im Internet, mit Hilfe derer sich Anfänger erste Übungen eigenständig beibringen können. Außerdem werden auch in vielen Sportstudios Yoga-Kurse für Einsteiger angeboten. 

Yoga Entspannung Neurodermitis Psyche

Yoga kann sinnvoll bei Neurodermitis sein, aber mehr Forschung dazu ist notwendig.

Kognitive Verhaltenstherapie

Es handelt sich dabei um eine Form der Psychotherapie, die darauf abzielt, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen auf Stresssituationen reagieren. Ziel ist es dabei die Denkweise der jeweiligen Person so zu verändern, dass verzerrte, depressive und realitätsferne Gedanken eigenständig erkannt und dadurch verändert werden können.

Verhaltenstherapie setzt die Unterstützung eines professionellen Psychologen voraus. Darüber hinaus gibt es einige Bücher oder Apps, die die Vorgehensweise weiter erläutern und zusätzlich als Unterstützung verwendet werden können.

Meditation

Meditation ist eine Praxis, für die es keine klare Beschreibung oder Definition gibt. Im Allgemeinen hilft sie, den Geist auf ein bestimmtes Objekt, einen bestimmten Gedanken oder eine bestimmte Aktivität zu konzentrieren, um emotionale Ruhe zu finden. Es gibt dabei verschiedene Ansätze und Ausprägungen, die aus unterschiedlichen, meist asiatischen, Kulturen stammen. Zu den bekanntesten gehören Zen, dynamische Meditation oder auch die transzendale Meditation.

Massagen

Massagen können dabei helfen das Stresshormon Cortisol zu reduzieren und den Blutdruck durch Erweiterung der Blutgefäße zu senken. Zusätzlich erhöht sich die Hauttemperatur bei einer Massage und entspannt den Körper. Außerdem tragen Massagen zur Stimulation und Regeneration des Bindegewebes bei und können sogar das Immunsystem stärken.9

EMDR bei Neurodermitis

Es handelt sich dabei um eine relativ neue Behandlungsmethode bei Posttraumatischen Belastungsstörungen. Bei der Behandlung werden traumatische Erlebnisse in das Gedächtnis gerufen. Dann leitet ein Therapeut schnelle, rhythmische Augenbewegungen ein, oder lenkt den Patienten durch andere äußere Reize wie Musik oder Händeklopfen ab. Dies ermöglicht die Verarbeitung negativer Erfahrungen, jedoch mit abgeschwächter emotionaler Reaktion. Die Wirksamkeit dieser Praxis wurde durch verschiedene wissenschaftliche Studien belegt.10 Es kann allerdings kein Erfolg bei einer EMDR Behandlung garantiert werden. Es ist jedoch ein möglicher Ansatz, der in Erwägung gezogen werden kann.

Die richtige Schlafroutine

Der nachteilige Effekt des Schlafentzuges wurde bereits erwähnt. Um den Schlaf zu verbessern, können regelmäßiger Sport und Gymnastik helfen. Tägliche Spaziergänge und kontinuierliches Lüften der Wohnung sind ebenfalls wichtig. Dies trägt auch dazu bei, das Schlafzimmer in einen Zufluchtsort für den Schlaf zu verwandeln, indem man den Raum dunkel, kühl und sauber hält. Außerdem ist es eine gute Idee, den Gebrauch von Elektronik auf ein oder zwei Stunden vor dem Schlafengehen zu beschränken. Auch beruhigende Getränke, wie Kräutertee können für die nötige Entspannung vor dem Schlafen gehen sorgen.

Sport und körperliche Betätigung

Sport ist ein äußerst wirksames Instrument zur Stress und Angstbewältigung. Es wird vermutet, dass körperliche Betätigung die Ausschüttung bestimmter Hormone wie Endorphine auslöst, die die Stimmung und das Wohlbefinden verbessern können. Abgesehen von der unbewussten positiven Stimulation geben sportliche Aktivitäten das Gefühl von Leistung und Selbstzufriedenheit, verbessern das Selbstwertgefühl und lenken von Sorgen ab. Selbst kleine Übungen sind vorteilhaft.

Selbsthilfegruppen

Neurodermitis und Hauterkrankungen im Allgemeinen sind häufig und weit verbreitet. Gleichzeitig verzichten die Menschen oft darauf, über diese Themen zu diskutieren und ihre Ängste und Sorgen mitzuteilen. Darüber hinaus neigen Menschen mit Ekzemen, Akne, Psoriasis usw. dazu, ihre Haut zu bedecken. Gleichzeitig ist es für Menschen mit den gleichen Schwierigkeiten sehr wichtig, zu wissen, dass sie nicht allein sind. Die Begegnung mit solchen Menschen und der Austausch über ihre gemeinsamen Sorgen und Erfahrungen könnte äußerst hilfreich sein. 

Der Besuch von Selbsthilfegruppen (vor Ort oder online) kann nicht nur eine mentale Unterstützung bieten, sondern auch eine Chance sein, den sozialen Kreis zu erweitern. Lokale Selbsthilfegruppen lassen sich z.B. über den Bundesverband Neurodermitis herausfinden. Auch die Deutsche Haut- und Allergiehilfe bietet eine Übersicht über verschiedener Selbsthilfegruppen bei Neurodermitis an. 

Das Bewusstsein stärken

Das Teilen von Gefühlen ist im Allgemeinen sehr wichtig und muss nicht unbedingt Menschen mit Hautkrankheiten einbeziehen. Auch Freunde und Familie können die notwendige Unterstützung leisten. In einigen Fällen ist die Hilfe von professionellen Psychologen sehr hilfreich, um der psychische Belastung durch Neurodermitis entgegenzuwirken.

Außerdem kann die Aufklärung der Menschen über Ängste, wie z.B. die Ansteckungsgefahr von Neurodermitis, positiven Einfluss auf das Leben von Neurodermitikern haben. Es gibt hierzu verschiedene Internet-Plattformen, die die Öffentlichkeit über die Thematik aufklären und so die psychische Belastung durch Neurodermitis bei Betroffenen senken können.

Im Zeitalter der sozialen Netzwerke wurde die Verbreitung des Themas einfacher denn je. Blogs, Vlogs, Podcasts, erzieherische Webseiten und Accounts in sozialen Netzwerken ermöglichen es jeder Person, eine große Anzahl von Menschen zu erreichen und die Denkweise der Menschen positiv zu verändern. Inzwischen beginnen auch professionelle Dermatologie-Organisationen und akademische Zeitschriften damit, soziale Netzwerke für diese Zwecke zu nutzen.11 Dazu gehört beispielsweise auch die bereits genannte Deutsche Haut- und Allergiehilfe, die seit kurzem einen eigenen Instagram-Account betreibt.

Selbstakzeptanz

Ein weiterer wichtiger Aspekt der psychischen Gesundheit ist die Selbstakzeptanz. Die Liebe zum eigenen Körper und der Haut ist notwendig, um seelischen Ausgleich zu finden. Darüber hinaus hängt der Schweregrad der Symptome nicht immer direkt mit der Selbstwahrnehmung und dem Selbstwertgefühl zusammen. Das bedeutet, dass selbst eine Verbesserung des Hautzustandes keine Garantie für eine Verbesserung der psychischen Gesundheit darstellt. Menschen verfangen sich in ihren Gedanken und Gefühlen – diesen Zustand bezeichnet man als posttraumatische Belastungsstörung.

Darüber hinaus kann es hilfreich sein, zu akzeptieren, dass einige Symptome bestehen bleiben oder wiederkommen. Unabhängig davon kann eine Person ein sinnvolles und schönes Leben führen.

Die Besessenheit mit dem Äußeren und die Verehrung der äußeren Schönheit wurden zum Markenzeichen der modernen Zeit. Soziale Medien, die zu diesem Prozess beigetragen haben, können jetzt dazu benutzt werden, von der oberflächlichen Wahrnehmung der Schönheit abzulenken. Dazu wurden unter anderem Hashtags, wie #selbstliebe #bodypositive und #unhideeczema eingerichtet. 

Quellen:

  1. Schonmann Y, Mansfield KE, Hayes JF, Abuabara K, Roberts A, Smeeth L, Langan SM. Atopic Eczema in Adulthood and Risk of Depression and Anxiety: A Population-Based Cohort Study. J Allergy Clin Immunol Pract. 2020
  2. https://nationaleczema.org/impact-of-atopic-dermatitis-symptoms/
  3. Misery L, Seneschal J, Reguiai Z, Merhand S, Héas S, Huet F, Taieb C, Ezzedine K. The impact of atopic dermatitis on sexual health. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2019
  4. Arents BWM, Mensing U, Seitz IA et al. Atopic eczema score of emotional consequences—a questionnaire to assess emotional consequences of atopic eczema. Allergo J Int. 2019
  5. Kwan Z, Bong YB, Tan LL, Lim SX, Yong AS, Ch’ng CC, Tan MP, Thevarajah S, Ismail R. Socioeconomic and sociocultural determinants of psychological distress and quality of life among patients with psoriasis in a selected multi-ethnic Malaysian population. Psychol Health Med. 2017
  6. Mitchell A, Fraser J, Ramsbotham J, Morawska A, and Yates P. Childhood atopic dermatitis: a cross-sectional study of relationships between child and parent factors, atopic dermatitis management, and disease severity. Intern. J. Nurs. Stud. 2015
  7. Suárez AL, Feramisco JD, Koo J, Steinhoff M. Psychoneuroimmunology of psychological stress and atopic dermatitis: pathophysiologic and therapeutic updates. Acta Derm Venereol. 2012
  8. Bridges L, Sharma M. The Efficacy of Yoga as a Form of Treatment for Depression. J Evid Based Complementary Altern Med. 2017
  9. Nazari F, Mirzamohamadi M, Yousefi H. The effect of massage therapy on occupational stress of Intensive Care Unit nurses. Iran J Nurs Midwifery Res. 2015
  10. Behnammoghadam M, Kheramine S, Zoladl M, Cooper RZ, Shahini S. Effect of eye movement desensitization and reprocessing (EMDR) on severity of stress in emergency medical technicians. Psychol Res Behav Manag. 2019
  11. Amir M, Sampson BP, Endly D, et al. Social Networking Sites: Emerging and Essential Tools for Communication in Dermatology. JAMA Dermatol. 2014
  12. Ridd MJ, King AJL, Le Roux E, Waldecker A, Huntley AL. Systematic review of self-management interventions for people with eczema. Br J Dermatol. 2017
Autor

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