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Neurodermitis bei Babys und Kindern – Ursachen, Tipps und Ansprechpartner
Neurodermitis (auch: atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis genannt) ist eine chronisch-entzündliche Hautkrankheit, die am häufigsten bei Babys und Kleinkindern auftritt. Laut Robert-Koch-Institut tritt die Krankheit bei 14,3 % aller Kinder und Jugendlichen auf, wobei Mädchen und Jungen gleich häufig betroffen sind. Zum Vergleich: Bei Erwachsenen leiden nur etwa 1-3 % an Neurodermitis. Das liegt vor allem daran, dass die Krankheit bei 60-80 % der betroffenen Säuglinge und Kleinkinder innerhalb der ersten Lebensjahre bis zum Schulbeginn wieder zurückgeht. Neurodermitis ist eine Zivilisationskrankheit, die vor allem in westlichen Industrieländern auftritt, wo die Zahl der Betroffenen kontinuierlich steigt.
Neurodermitis verläuft meist in Schüben, in denen die Beschwerden stärker werden und danach wieder abklingen. Das Hauptsymptom ist quälender Juckreiz, der von sehr trockenen und schuppigen Hautstellen ausgeht. Zu den ersten Anzeichen kann ein weißlich-gelber Ausschlag auf der Kopfhaut des Babys gehören („Milchschorf“), doch nicht alle Babys mit Milchschorf entwickeln später eine Neurodermitis. Ähnlich wie Milchschorf, aber vollkommen harmlos, ist der sogenannte Kopfgneis. Diese gelblich-bräunliche Schuppung an der Kopfhaut tritt bei vielen Babys in den ersten Monaten auf und verschwindet danach von selbst. Sie hat mit Neurodermitis nichts zu tun.
Ursachen von Neurodermitis bei Babys und Kindern
Neurodermitis kann nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden. Vielmehr sind es parallel mehrere Faktoren, die das Risiko für die Erkrankung erhöhen. Hierzu gehören genetische Faktoren und Allergien (z.B. Gräser, Pollen, Hausstaub und Haustiere) sowie Stress und übertriebene Hygiene. Überschießende Reaktionen des Immunsystems und eine gestörte Barrierefunktion sind wichtige Faktoren, die das Auftreten von Neurodermitis begünstigen. Weitere Risikofaktoren können trockene Heizungsluft im Winter sowie ein Mangel an Filaggrin sein. Hierbei handelt es sich um ein Eiweiß, das einen wichtigen Beitrag zur Bildung der Oberhaut leistet. Bei einem Filaggrin-Mangel verliert die Haut an Feuchtigkeit und der Anteil der Hautfette sinkt. Die Folge: Die Schutzfunktion der Haut ist gestört, Krankheitserreger können in die Haut eindringen und im Körper Infektionen auslösen. Das wiederum führt zu Entzündungen und Juckreiz.
Neurodermitis und das Mikrobiom der Haut
Aktuell wird immer deutlicher, dass bestimmte Bakterien auf der Haut ein Problem darstellen können. Das Bakterium Staphylococcus aureus, ein eigentlich harmloser Bewohner der Haut, kann sich bei einer gestörten Barrierefunktion stark vermehren und gute Bakterien zurückdrängen. Die Folge sind Rötungen und starker Juckreiz, der wiederum durch Kratzen zu einer noch instabileren Hautbarriere führt. Alle Mikroorganismen wie Bakterien und Viren, die die Haut besiedeln werden auch als Haut-Mikrobiom bezeichnet. Wenn es in Balance ist und die guten Bakterien überwiegen bildet es ein Schutzschild gegen Keime. Das Mikrobiom der Haut könnte auch der Grund sein, warum ein Kaiserschnitt als Risikofaktor für Neurodermitis gilt. Denn anders als auf natürlichem Wege geborene Babys kommen Kaiserschnitt-Babys nicht mit den vaginalen Mikroorganismen der Mutter in Kontakt, die offenbar eine schützende und immunstärkende Funktion haben.
Wie erkenne ich Neurodermitis bei Babys oder Kindern?
Bei Babys beginnt die Neurodermitis meistens im Gesicht, in den Kniekehlen und Armbeugen sowie an der behaarten Kopfhaut. An den betroffenen Stellen ist die Haut sehr trocken und gerötet, teilweise schuppig und/oder rissig. Im Laufe der Zeit können sich die betroffenen Hautstellen ausdehnen.
Oft bildet sich dort zuerst sogenannter Milchschorf. Diese schuppigen Krusten erinnern mit ihrer weiß-gelblichen Farbe an verbrannte Milch – daher ihr Name. Der Milchschorf zeigt sich meist am Kopf, teilweise jedoch auch auf Armen und Beinen. Etwa 50 % der Säuglinge mit Milchschorf zeigen keine weiteren Symptome einer Neurodermitis. Die andere Hälfte hat die Erkrankung bereits oder bekommt sie im Laufe der ersten beiden Lebensjahre.
Eine gewisse Ähnlichkeit besteht zwischen Milchschorf und Kopfgneis. Letzterer steht in keinem Zusammenhang zu einer Neurodermitis-Erkrankung und verschwindet üblicherweise innerhalb des 1. Lebensjahres. Angesichts der möglichen Verwechslungsgefahr ist es jedoch von größter Bedeutung, einen Dermatologen zu konsultieren und hier eine Differentialdiagnostik vornehmen zu lassen.
Strategien gegen Juckreiz: 15 schnelle Tipps
Das Hauptziel sollte es sein den Juckreiz zu lindern und die geschädigte Hautschutzbarriere zu stärken bzw. wiederherzustellen und die beschwerdefreien Phasen zu verlängern. Hierzu bedarf es einer sorgfältigen und regelmäßig angewendeten Pflege. Zu ihr gehört das (je nach Bedarf mehrmals) tägliche Eincremen der betroffenen Hautstellen mit rückfettenden und feuchtigkeitsbindenden Pflegeprodukten und die sparsame Verwendung eines parfümfreien Waschstücks oder hautfreundlicher Seifen. Weitere Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden und zur Unterbrechung des Teufelskreises (Juckreiz – Kratzen – mehr Juckreiz – mehr Kratzen, usw.):
- Allergien + Nahrungsunverträglichkeiten abklären lassen (z.B. auf Hühnereiweiß, Hausstaubmilben, Gräser etc.)
- kurz geschnittene Fingernägel
- besondere Handschuhe („Kratzfäustlinge“) oder Scratch Sleeves
- kurze Wäsche (eher duschen bzw. „Katzenwäsche“) um Mikrobiom zu schonen; Waschstück sollte nur verwendet werden, wenn sich Schmutz nicht durch Wasser entfernen lässt
- Pflegeprodukte ohne Urea (Harnstoff) bevorzugen, wenn dieser ein brennendes Gefühl auf der Haut auslöst
- tagsüber: leichte, luftdurchlässige Kleidung (z. B. Bio Baumwolle)
- nachts: Neurodermitis-Overall
- neue Kleidung mindestens einmal (besser zweimal) vor Benutzung waschen
- hypoallergene Waschmittel ohne Parfüm verwenden, auf Weichspüler verzichten
- vor dem Tragen Schilder aus der Kleidung entfernen
- hausstaubmilbenfreie Kuscheltiere aus Encasingmaterial
- Allergiker-Inlays, -Bettbezüge & -Schlafanzug gegen Hausstaubmilben verwenden
- bei vorhandener Hausstauballergie: regelmäßig Staubwischen
- kühles Zimmer zum Schlafen (18 – 20°)
- wenn möglich, schweißtreibende Tätigkeiten meiden, um keinen Juckreiz auszulösen / zu verstärken
- bei Juckreiz: Kratzklotz verwenden (schon das „stellvertretende“ Kratzen auf einem kleinen, meist mit Leder umwickelten Holzklotz reicht oft aus, um den Juckreiz zu lindern)
Lässt sich Neurodermitis bei meinem Baby vorbeugen?
Es gibt auch schützende Faktoren, die einer Neurodermitis-Erkrankung vorbeugen können oder zumindest das Risiko einer Erkrankung verringern. Das gilt insbesondere für Kinder mit einer familiären Vorbelastung. Demnach sollten Sie:
- in der Schwangerschaft nicht rauchen
- in der Schwangerschaft oder Stillzeit bei Bedarf und unter ärztlicher Aufsicht Probiotika einnehmen (einige Stämme haben sich als positiv bzgl. Vorbeugung herausgestellt)
- Ihr Baby, wenn möglich, in den ersten vier Lebensmonaten (voll) stillen oder hypoallergene Säuglingsnahrung füttern
- Ihr Baby auf Allergien testen lassen
- für Kinder mit Allergien nur Pflegeprodukte verwenden, die weder PEGs noch Parabene, Silikone oder Paraffin / Mineralöl, Mikroplastik, Weichmacher oder Duftstoffe enthalten
- Kinder mit Allergien in einem Haushalt ohne Hunde und Katzen aufwachsen lassen
- Kinder in einem rauchfreien Zuhause aufwachsen lassen
- Als Eltern ein Ernährungstagebuch führen, um mögliche Unverträglichkeitsreaktionen auf bestimmte Lebensmittel so schnell wie möglich zu identifizieren

Familienleben und Neurodermitis
Kinder und insbesondere Babys haben noch keine Möglichkeit, sich verbal auszudrücken. Deshalb bringen sie ihre Schmerzen, ihren Juckreiz und den daraus resultierenden Leidensdruck durch Schreien zum Ausdruck. Dieses oft sehr häufige und langanhaltende Schreien kann den Familienalltag enorm belasten. Dennoch sollte er nicht im Fokus allen Handels stehen und das Familienleben „beherrschen“. Die besonderen Bedürfnisse eines Kindes mit Neurodermitis verändern den Familienalltag oft sehr stark, trotzdem sollten Sie versuchen, sich ein Stück Normalität zu bewahren. Hier sind vor allem Routinen und Rituale zu nennen, die dem Alltag trotz chronischer Krankheit eine feste, haltgebende Struktur verleihen.
In dieser schwierigen Situation sind Geduld und Zuwendung aller Familienmitglieder von besonderer Bedeutung. Neurodermitis-Schulungen für betroffene Eltern und Entspannungstechniken für die kleinen Patienten können hierbei wertvolle Unterstützung leisten.
Ansprechpartner: Verbände, Spezialkliniken und Selbsthilfegruppen
Bei dem Verdacht auf Neurodermitis sollten Sie mit Ihrem Kind unbedingt zu einem Dermatologen gehen. Nur die Diagnostik eines kompetenten Facharztes kann zu einer verlässlichen Aussage führen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Institutionen, die betroffenen Familien mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hierzu gehören unter anderem:
- Bundesverband Neurodermitis e. V. für grundlegende Informationen und neuste Erkenntnisse rund um die Ursachen und Behandlungen von Neurodermitis (inklusive Mitgliedermagazin)
- Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V. für spezielle Fragestellungen zu Allergien und Asthma, die häufig bei Neurodermitis-Patienten auftreten
- Spezialklinik Neukirchen als Beispiel für eine Klinik, die ein ganzheitliches Behandlungskonzept ohne Kortison verfolgt
- Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e. V. für Informationen zu Neurodermitisschulungen für Kinder, Jugendliche und Eltern
- Verzeichnis für lokale Neurodermitis Selbsthilfegruppen für den regionalen Austausch betroffener Familien und konkrete Hilfestellung vor Ort